Ein Gastbeitrag von Hermann J. Schmeh.
Dieser Frage fehlt ein entscheidendes Element: „für wen?“ oder auf gut altlateinerisch: „wem nützt’s?“ Gehen wir drei mehr oder weniger wichtige Akteure in der Hochschullandschaft durch: das Land – insbesondere sein Wissenschaftsministerium, die Hochschulverwaltung – insbesondere Rektorin, Dekaninnen und andere einflußreiche Professorinnen – und die Studierendenschaft.
1. Nützen entkoppelte Senatswahlen dem Wissenschaftsministerium?
Nein, aber sie schaden ihm auch nicht. Ansprechpartner des Ministeriums waren studentische Senatsmitglieder bisher nicht automatisch, sondern wenn es an anderen legitimierten Vertreterinnen mangelte oder man eine breitere Meinungsbildung wünschte. Zukünftig wird die Landesstudierendenvertretung institutionalisierte offizielle Ansprechpartnerin sein.
Im Gesetzentwurf betonte das federführende Wissenschaftsministerium gleich drei Mal, dass durch direkte Wahlen mehr direkte Demokratie hergestellt würde. Doch eine Demokratieform, sei es Repräsentativ-, Basis- oder Direktdemokratie, zur unhinterfragten Doktrin zu verabsolutieren, sagt gerade nichts darüber aus, ob die so gewählten Verfahren auch sinnvoll sind. Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage wären.
2. … den Rektorinnen, Dekaninnen oder anderen einflussreichen Professorinnen?
Ja. Gremienmitglieder, die auf komplett getrennten Wegen legitimiert, aber für die gleichen Themen zuständig sind, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Positionen von studentischen Senatorinnen, Studierendenratsvertreterinnen, Fachbereichsvertreterinnen und Fakultätsrätinnen widersprechen. Dass Studierendenrat und Fachschaft eine Vertreterin mit beratender Stimme in den Senat bzw. Fakultätsrat entsenden können, verstärkt diese Wirkung eher noch.
Unabhängig davon, ob die Studierendenvertretung als Partnerin oder als Störenfried gesehen wird, können sich Rektorate/Dekanate/Professorinnen den Standpunkt heraussuchen, der ihrem am nächsten gelegen ist. Oder sie bestreiten mit dem Verweis auf die Uneinigkeit der Studierendenvertreterinnen deren Legitimation, für alle Studierenden zu sprechen. Im günstigsten Falle können sie mit den widersprüchlichen Aussagen nichts anfangen, und die Studierenden werden einfach übergangen. In allen diesen Szenarien kann das studentische Interesse nicht wirkungsvoll durchgesetzt werden: Der Einfluss der Uneinigen nimmt ab, das Machtvakuum wird von Anderen gefüllt. Auch dafür hatte die Altlateinerin schon einen klugen Spruch: „Teile und herrsche!“
3. … der Studierendenschaft?
Ja und nein. Nein aus den bereits genannten Gründen: je geringer der Einfluss der Studierendenvertreterinnen in den Hochschulgremien, desto kleiner die Chance auf die Durchsetzung des studentischen Interesses. Außerdem ist die Bindung an den Studierendenrat enger, wenn dieser die studentischen Senatorinnen entsendet. Entsandte berichten vielleicht eher im Studierendenrat, zumindest aber lassen sie sich bei eklatanten Pflichtverstößen leichter abwählen.
Eine getrennte Wahl kann der Studierendenschaft in gewisser Hinsicht auch nützen. Illustrieren wir das an einem unwahrscheinlichen Beispiel: Die Entsendung von studentischen Senatorinnen durch einen mehrheitlich aus Fachbereichen zusammengesetzten Studierendenrat wird möglich. Entsendet werden nur Leute aus dem Dunstkreis der Fachbereiche, niemals aber aus den studentischen Initiativen, obwohl diese kompetentere Bewerberinnen haben. Die Auswahl der Entsendeten und die Mehrheit der Fachbereiche wird durch vorherige Absprachen der Fachbereichsvertreterinnen untereinander sichergestellt.
Die „einfache“, nichtaktive Studentin an der Basis hat weder Einfluss auf die Auswahlkriterien für die Entsendeten, noch kann sie kompetente Personen außerhalb der Fachbereiche wählen. Die Laiin spricht von Verkrustung politischer Strukturen, die Politikwissenschaftlerin von „Pfadabhängigkeit“, die Juristin fasst es in den Dreisatz: „Das haben wir schon immer so gemacht, da könnte ja jede kommen, wo kommen wir denn da hin?“ In einer Direktwahl mit freier Bewerbung kann die Wählerin nach ihren eigenen Kriterien aus einem potentiell uneingeschränkten Bewerberinnenpool auswählen. Eine Direktwahl kann so die Transparenz des Auswahlverfahrens für die „einfache“ Studentin erhöhen und durch Wettbewerb einer Pfadabhängigkeit entgegenwirken – zulasten der Durchsetzungschance des studentischen Interesses.
Eine Randbemerkung zum Schluss: Die Trennung der Wahlen hält auch eine klare Grenze zwischen akademischer und studentischer Selbstverwaltung aufrecht. Die Studierendenschaft kann dadurch als Fremdkörper in der Universität wirken. Dieser Eindruck dürfte sich aber verflüchtigen, je länger die Studierendenschaft stabil besteht und sich Umgangs-Formen mit der akademischen Selbstverwaltung einschleifen.
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